Interview mit T.C. Boyle

„Greta Thunberg ist eine moderne Heilige“

Der US-amerikanische Bestsellerautor outet sich im RP-Gespräch als Naturmensch und spricht über die Klimakatastrophe. Sein neuer Roman erzählt ironisch und provokant von der drohenden Apokalypse.

Autor T.C. Boyle hat sein neues Buch "Blue Skies" veröffentlicht. Foto: Britta Pedersen/dpa

Altenberg „Blue Skies“ heißt der neue Roman von T. C. Boyle. Auch diesmal geht es um die drohende Apokalypse des Klimawandels. Davon erzählt der 74-Jährige ironisch, witzig, provokant. Ein Erzähler, der seine Leser unterhalten, aber nie belehren will.

Herr Boyle, Sie haben von der nahenden Klimakatastrophe immer wieder in Ihren Romanen erzählt. Wie lange haben Sie für „Blue Skies“ recherchiert?

BOYLE Eigentlich mein ganzes Leben schon; denn so lange habe ich gebraucht, um meine Liebe zur Natur und meine Trauer über den Verlust all der wilden Kreaturen und der wilden Orte irgendwie in Einklang zu bringen. Vor allem aber habe ich mehrere Monate damit verbracht, über Insekten zu recherchieren und mit Entomologen in die Natur, also ins Feld zu gehen.

Sie – und ich selbst – werden wahrscheinlich nicht mehr unter den schlimmsten Folgen des Klimawandels leben und leiden müssen. Verlieren Romane dadurch an Glaubwürdigkeit?

BOYLE Ich ahne, dass Sie sich auf den Tod des Individuums beziehen. Ja, ich werde wahrscheinlich nicht mehr da sein, wenn die Apokalypse in ihrem ganzen Ausmaß eintreten wird. Dennoch mache ich mir natürlich große Sorgen um meine Mitmenschen, insbesondere um meine drei Kinder.

In Ihrem jüngsten Roman „Blue Skies“ erzählen Sie vom Schicksal der jungen Menschen. Wie gut können Sie sich in das Lebensgefühl dieser Generation einfühlen?

BOYLE Ein Romancier ist eine Art Chamäleon, er verkörpert Figuren jeden Alters und jeden Geschlechts – und manchmal, wie in meinem Roman „Sprich mit mir“, sogar Tiere.

Die Proteste junger Menschen für stärkere und weitreichendere Maßnahmen werden immer dringlicher, auch radikaler – zumindest hier in Deutschland. Können Sie die jungen Leute verstehen?

BOYLE Ich freue mich sehr über ihre Proteste, die – so hoffe ich – unser Bewusstsein für Umweltprobleme vertiefen, sensibilisieren – und helfen, ihnen wirksamer zu begegnen.

Sie sind derzeit auf großer Lesereise. Welche Reaktionen bekommen Sie von Ihrem Publikum auf den neuen Roman und die Klimakatastrophe?

BOYLE Wir halten uns alle an den Händen und weinen im Konzert. Ich provoziere natürlich die Menschen und unterhalte sie gleichzeitig. Das Thema der globalen Erwärmung ist keine Diskussion mehr, sondern eine tödliche Realität.

Wäre auch ein Klimaroman über Greta Thunberg denkbar?

BOYLE Sie ist eine moderne Heilige. Über eine ähnliche Figur – Sierra Tierwater aus „Ein Freund der Erde“ – habe ich schon vor 23 Jahren geschrieben.

Ein warmer Sommer, ein blauer Himmel, das galt lange als Idylle. Ist es noch möglich, die Welt zu genießen, auch wenn sie nur noch trügerisch schön zu sein scheint?

BOYLE Ich lebe als Naturmensch, wandere in den Bergen und an den Stränden Kaliforniens, fahre mit dem Kajak auf dem mächtigen Pazifik und schwimme in seinen Gewässern. Ich verehre die Schönheit dieses Lebens, des einzigen, das wir je kennen werden. Ich bin ein Lebewesen wie Sie, und es tut gut, die Sonne auf meinem Rücken zu spüren oder die kalte Umarmung des morgendlichen Meeresnebels. Leben, lieben, sterben.

Lothar Schröder führte das Gespräch.