Ein Plädoyer für das Krefelder Kesselhaus

Entwurf, wie das Kesselhaus aussehen könnte. Foto: Stadt Krefeld
Von Jens Voss
Krefeld Wir haben unsere Leser aufgefordert, sich wie ein Ratsmitglied zu entscheiden: Hand aufs Herz - für oder gegen das Kesselhaus? Es gab beeindruckende Antworten, meist gegen das Kesselhaus. Vielleicht ist es angemessen, wenn auch der Initiator des Aufrufs sich der Hand-aufs-Herz-Probe stellt. Hier die Antwort: Ich, wäre ich Ratsherr, würde mich für das Kesselhaus entscheiden. Und zwar aus folgenden Gründen.
Die Pluspunkte: Da ist zum einen all das, was unumstritten für das Kesselhaus spricht: das außergewöhnliche Ambiente, die Verbindung von Krefelds Industrie-Vergangenheit mit Kunst und Kultur.
Entschärfte Handicaps: Wichtige Kritikpunkte sind entscheidend entschärft. Stichwort Parken: Auf dem Campusgelände werden mit der von Entwickler Leendertz angekündigten neuen Parkpalette 850 Parkplätze zur Verfügung stehen. So ist der Kreis derer, die die 300 bis 400 Meter zur Parkpalette am Stadtarchiv laufen müssen, deutlich kleiner geworden. Stichwort Klangqualität: Mit der Anhebung des Daches ist die Möglichkeit für Klassikkonzerte ohne Elektroverstärker eröffnet. Stichwort Bankettbestuhlung: Das Seidenweberhaus bietet 832 Plätze. Zuletzt hat die Stadt für das Kesselhaus von 700 Plätzen gesprochen; Investor Leendertz widersprach, ihm zufolge bietet das Kesselhaus 806 Plätze mit Rollstuhlplätzen und 856 Plätzen ohne. Damit zieht das Kesselhaus mit dem Siedenwebehrhaus gleich. Stichwort ÖPNV: Die Anbindung ist da und lässt sich optimieren.
Das Geld: Wenn der Rat alles auf Anfang setzt, wird es deutlich teurer für die Stadt, allein wegen der auf Jahre verlängerten Anmietung von Büroraum. Das Zahlenwerk der Stadt besagt, dass das Kesselhaus die kostengünstigste Lösung im Vergleich zu der Sanierung des Seidenweberhauses oder einem Neubau auf dem Theaterplatz ist. Rachid Jaghou, Leiter Zentrales Gebäudemanagement, und Planungsdezernent Marcus Beyer haben die Berechnungen ausführlich erläutert. Warum ihnen misstrauen? Öffentliches Bauen ist extrem teuer, auch dort, wo saniert wird (beim Seidenweberhaus ist von 180 Millionen Euro die Rede). Es gibt prominente Beispiele, bei denen gerade Sanierungen aus dem Ruder gelaufen sind: die Opern in Köln und Frankfurt.
Der Zentralitätsfaktor: Das Argument wiegt schwer: Eine Veranstaltungshalle gehört in die City, weil sie die Innenstadt belebt und weil der historisch gewachsene Kulturort in Krefeld der Theaterplatz ist. Doch haben weder das Seidenweberhaus noch das Theater in den vergangenen 20 Jahren zur Belebung der City beigetragen. Die Vorstellung, dass bürgerliches Publikum nach den Vorstellungen in die Stadt strömt, ist eine Schimäre. Das hat es nie gegeben. Es gab eine Phase, da sind die Leute ins Hexagon im Seidenweberhaus gegangen, ja, aber eine Belebung der City war das nicht.
Bleibt die historische Perspektive: der Theaterplatz als Kulturort. Ja, die Vorstellung einer Kultur-City ist schön. Allein, diese Stadt hat dieses Ideal vor 20 Jahren verraten, als es den Theaterplatz verkommen ließ. So kann man das historische Argument auch umdrehen: In Krefeld hat die Zeitgeschichte gezeigt, dass die öffentliche Hand bei der Pflege ihres Kulturortes versagt. Das Kesselhaus bietet einen Neuansatz: Der privat gepflegte Campus wird sicher besser behandelt als der Theaterplatz.
Das neue Rathaus: Die Vorstellung, dass Hunderte Rathausmitarbeiter vom Theaterplatz aus mittags oder nach Dienstschluss in die City gehen und Handel und Gastronomie beleben, ist vielversprechender als das Ideal vom kulturbeseelten Innenstadtnachtschwärmer. Und für die Befürchtung, dass auf dem Theaterplatz mit einem neuen Rathaus Schuhkartonarchitektur entsteht, gibt es eine simple Lösung: gute Architektur.
Fazit: Das Kesselhaus hat eine Chance verdient. Möge nun jeder selber abwägen. Der Rat entscheidet am 20. Juni.